Welthospiztag
Ehrenamtliche Hospizbegleiter*innen erzählen über ihr Engagement.
„Ich mache das, weil ich weiß, ich kann das. Es kommt so viel Dankbarkeit zurück.“ Das sagt Joana Tischer, 24 Jahre, Studentin der Sonderpädagogik. Seit 2022 ist sie ehrenamtliche Hospizbegleiterin im Kinder- und Jugendhospizdienst „Windspiel“ in Landau und begleitet Familien durch den Sterbeprozess ihrer Kinder. Sie selbst wiederum wurde darauf vorbereitet und wird in ihrer Arbeit unterstützt durch das Ambulante Hospizzentrum Landau (AHZ).
In der Diözese Speyer gibt es 14 solcher ambulanten Hospizdienste. Meist heißen sie Ambulante Hospiz- und Palliativberatungsdienste (AHBP) und haben es sich zur Aufgabe gemacht, sterbende Menschen und ihre Angehörigen durch den Sterbeprozess zu begleiten – und zwar wenn möglich zuhause. „Die meisten Sterbenden haben den Wunsch, zuhause zu bleiben und in ihrem vertrauten Umfeld zu sterben“, sagt Christiane Kicherer, Hospizfachkraft und Koordinatorin in Leitungsfunktion im AHPB Bad Dürkheim/Grünstadt. „Um die Menschen dabei professionell und empathisch zu begleiten, bilden wir ambulante Hospizbegleiter*innen aus.“ Also Menschen, wie Joana Tischer.
Am 14. Oktober ist Welthospiztag. Zu diesem Anlass haben sich Joana Tischer, Brigitte Schott und Doris Gehlen, drei ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen mit der Koordinatorin Christiane Kicherer und Daniela Ball-Schotthöfer, Geschäftsführung der Ökumenische Hospizhilfe Pfalz/Saarpfalz und Fachreferentin Hospiz im Caritasverband für die Diözese Speyer e.V., getroffen, um über ihr Engagement zu berichten. Tischer kam zur Hospizbegleitung über ihr Ehrenamt in der Behindertenseelsorge: „Man kommt in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung um das Thema Sterben nicht herum. Ich habe eine Familie begleitet mit zwei Kindern mit Knochenmarkserkrankung“, erzählt sie. Sie hat sich qualifizieren lassen als Hospizbegleiterin für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. „Man macht zuerst die Qualifikation für Erwachsene und dann zusätzlich eine für Kinder. Diese Arbeit erfüllt mich sehr.“
Brigitte Schott kam zur Hospizbegleitung, weil sie selbst ihren Mann verloren hat. „Er hatte einen Hirntumor. Ich habe ihn zum Sterben nach Hause geholt und war durch die Pflege sehr eingespannt“, erzählt sie. Sie hat dann SAPV in Anspruch genommen. Das bedeutet Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung und ist eine von den Krankenkassen finanzierte Leistung zur professionellen Begleitung schwersterkrankter Menschen. Mehrere Berufsgruppen, wie Ärzte, Apotheker, Pflegedienste und Hospizkräfte versorgen sterbende Menschen bestmöglich zuhause. „Durch die Hospizbegleiterin konnte ich dann auch wieder in meinen geliebten Italienischkurs und bekam ein bisschen den Kopf frei“, berichtet sie. Als ihr Mann verstorben war, hat sie sich selbst als Hospizbegleiterin qualifizieren lassen. „Man bekommt so viel Dankbarkeit. Ich habe zum Beispiel einen Mann begleitet, der war schon so schwach, dass er mir aus seinem Schlafzimmer im ersten Stock den Schlüssel runtergeworfen hat, damit ich mir selbst aufschließen konnte“, erinnert sie sich. „Als er mich dann kannte, hat er immer seine gesamte Energie mobilisiert, um mir selbst die Tür zu öffnen. So froh war er über die Besuche.“
Auch Doris Gehlen kam über den Verlust einer Angehörigen zur Hospizarbeit. „Ich habe meine Mutter verloren. Sie hatte einen sehr langen Sterbeprozess. Und mir war die Zeit vor dem Sterben so wichtig. “ 2006 hat sie dann den Kurs als Hospizbegleiterin gemacht, dann als Hauptamtliche mit Palliative Care Ausbildung im Hospizdienst gearbeitet. Jetzt ist sie berentet und wieder als ehrenamtliche Hospizbegleiterin und Trauerbegleiterin tätig. „Angehörige zu stützen, ist so wichtig. Deshalb begleite ich in Schifferstadt das Trauercafé. Da treffen sich trauernde Angehörige und tauschen sich aus.“ Eine Geschichte, an die sie sich gut und auch gerne erinnert, war die Begleitung eines Mannes: „Er war so ein Künstlertyp. Unkonventionell. Er hat gerne geraucht und getrunken, auch auf der Palliativstation, auf der er am Ende war. Als er gestorben war, war der Altar geschmückt mit einer Jesusfigur und einem FCK-Schal.“ Trauern und Abschied nehmen sei eben so individuell, wie die Menschen sind.
Christiane Kicherer erzählt, wie sie darauf achtet, dass die Ehrenamtlichen, die sie für eine Begleitung anfragt, auch zu den Sterbenden und ihren Familien passen: „Ich führe als Hauptamtliche ein Erstgespräch. Dann schaue ich, was die Familie braucht. Manchmal soll das eine eher zupackende Person sein, die extrovertiert ist. Andere benötigen jemanden, der eher zurückhaltend agiert.“ In manchen Familien gebe es auch offene Konflikte aus der Vergangenheit. „Da vermitteln wir in der Qualifizierung den Kursteilnehmer*innen immer, dass sie sich auf keine Seite ziehen lassen dürfen. Wir nennen das Allparteilichkeit. Sie sind da, um zu begleiten, nicht um zu bewerten.“
Ein Problem sei häufig noch, dass viele Angehörige nicht wissen, dass es ambulante Hospizbegleitung als Leistung der Krankenkassen gibt. „Jeder weiß, was ein stationäres Hospiz ist. Aber nur wenige wissen, dass es die gleiche Leistung auch für ambulante Begleitungen gibt“, erklärt die Hospizreferentin des Caritasverbandes, Daniela Ball-Schotthöfer. „Wir bekommen von den Krankenkassen eine pauschalierte Förderung pro Patient, deshalb bieten wir unsere Begleitungen kostenlos an. Dennoch benötigen wir auch Spenden, denn von den Pauschalen finanzieren wir unsere hauptamtlichen Mitarbeitenden, die Qualifizierung der Ehrenamtlichen, die ehrenamtlich begleiteten Trauercafés und unsere Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Vorteil der pauschalen Förderung sei, dass sich die Ehrenamtlichen so viel Zeit nehmen können, wie die Sterbenden und ihre Familien es eben brauchen. „Es gibt auch noch einen Trägeranteil an der Finanzierung und einige der AHPBs haben Fördervereine“, ergänzt Ball-Schotthöfer.“ Vor allem die Kinder- und Jugenddienste sind auch auf Spenden angewiesen.“
Was die Hospizbegleiter bei ihren Einsätzen genau tun, präzisiert Joana Tischer: „Das kann sehr unterschiedlich sein. Wenn nötig kann ich an ein Netzwerk weiterer Hilfen vermitteln. Für die Familien konkret kann das sein, dass ich vorlese, mit dem Kind spazieren gehe. Musik vorspiele, was die Familie eben braucht.“ Ein Kind habe immer nur Mensch-ärgere-dich-nicht spielen wollen. Doris Gehlen berichtet, dass sie in eine Familie mit einem behinderten jungen Mann den Pfarrer eingeladen habe, weil das dem Mann so wichtig war. Brigitte Schott hat eine Winzerfamilie beim Tod des Vaters begleitet: „Der Mann wollte eigentlich immer am liebsten in seinen Weinberg gehen. Er hatte einen Schlaganfall und konnte sich nicht mehr gut bewegen oder artikulieren. Aber immer, wenn wir im Wingert waren, hat er – so gut es eben ging – von seiner Arbeit von früher erzählt.“ Für dessen Frau sei es wichtig gewesen, dass sie über die Situation ganz viel sprechen konnte. „Sie brauchte ein offenes Ohr.“
Beim eigentlichen Sterbeakt selbst seien die Begleiter oft nicht anwesend. „Nur wenn die Familie das ausdrücklich wünscht, machen wir das“, sagt Brigitte Schott. „Eigentlich versuchen wir, die Familien dahingehend zu bestärken, dass sie das alleine schaffen, denn das Sterben ist ein sehr intimer Vorgang.“ In der Regel ende die Begleitung dann nach der Beerdigung. „Aber manche brauchen noch ein bisschen Unterstützung danach, das machen wir auch, aber nicht auf Dauer. Wenn jemand Unterstützung im Trauerprozess braucht, leiten wir über in unsere Trauerbegleitung“, sagt Kicherer. „Man muss dann manchmal auch eine Grenze ziehen, um sich nicht selbst zu überfordern“, ergänzt Gehlen. Für die Begleiter*innen selbst gibt es zur Unterstützung monatliche Reflexionsgruppen, um die eigene psychische Belastung zu besprechen. „Wer es benötigt, kann auch Supervision in Anspruch nehmen.“
Alle drei ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen sind sich einig darin, dass sie ein sehr erfüllendes und bereicherndes Ehrenamt ausüben, für das sie sich bewusst und gerne entschieden haben. „Wir haben keine Angst davor, Tod und Trauer zu begegnen. Wir wollen Sterbenden und ihren Angehörigen ein Sterben und einen Abschied in Würde ermöglichen“, sagt Gehlen.
Text: Melanie Müller von Klingspor / Daniela Ball-Schotthöfer
Stichwort Ambulante Hospizhilfe und Zahlen
Die ambulante Hospizarbeit in der Diözese Speyer ist ökumenisch organisiert. Alle 14 ambulanten Dienste gehören zur Ökumenischen Hospizhilfe Pfalz/Saarpfalz (ÖHH). Träger der ÖHH sind der Caritasverband für die Diözese Speyer und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche der Pfalz. Die Diözesan-Caritasdirektorin Barbara Aßmann ist Vorsitzende der ÖHH, Landesdiakoniepfarrer Albrecht Bähr ist stellvertretender Vorsitzender. Die Geschäftsführung liegt bei Daniela Ball-Schotthöfer.
In den 14 Ambulanten Hospizdiensten der Pfalz/Saarpfalz sind 60 Hauptamtliche beschäftigt, davon arbeiten 15 Personen als Koordinator*innen und 45 Personen als Hospiz-Pflegefachkräfte. Diese Hauptamtlichen arbeiten im Jahr 2022 mit 448 ehrenamtlichen Hospizbegleiter*innen zusammen, von denen 58 zusätzlich als Trauerbegleiter*innen tätig sind. 1585 Menschen wurden im Jahr 2022 von den Ehren- und Hauptamtlichen bis zu ihrem Tod begleitet. Über 60 Prozent der Verstorbenen sind älter als 80 Jahre, ein weiteres Viertel ist über 70 Jahre alt. Knapp die Hälfte der Menschen stirbt zuhause, ein Viertel in Pflegeeinrichtungen, dann folgen mit Abstand Krankenhäuser, stationäre Hospize und Palliativstationen. Einen kleinen, aber zunehmenden Teil, bilden Einrichtungen der Behindertenhilfe.
Die häufigste Todesursache besteht in einem Krebsleiden, gefolgt von inneren Erkrankungen. Die Dauer der Hospizbegleitung ist sehr unterschiedlich. Von über einem Jahr (130) bis hin zu kürzer als einer Woche (271), der größte Teil mit einem knappen Drittel (532) dauert zwischen einem und sechs Monaten.
Die ehrenamtlichen Hospizbegleiter*innen treffen sich zum fachlichen Austausch in 37 regionalen Hospizgruppen, damit sie ihr herausforderndes Engagement gut begleitet ausüben können.
Die verschiedenen Angebote an Trauerbegleitung nehmen weiterhin zu: Einzelgespräche sind mit 176 Einzelgesprächen um 33 Prozent gestiegen, Gruppenveranstaltungen sind mit 203 Angeboten um 14 Prozent gewachsen. Nicht alle ambulanten Hospizdienste halten diese Angebote vor, aber sie reagieren auf die gewachsene Nachfrage, indem sie Ehrenamtliche dafür qualifizieren. Ein Trauerbegleitungskurs findet mittlerweile jährlich statt. Trauerbegleitung wird nicht von den Krankenkassen gefördert und muss über andere Wege wie Fördervereine und Spenden finanziert werden.