Forderung von Initiativausschuss und Diakonie in RLP
Abschiebestopp nach Afghanistan ist zwingend und ein Gradmesser für die „humanitär ausgerichtete Flüchtlingspolitik“ der Landesregierung.
Mainz. Die heute beginnende Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder muss mindestens bis zur Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan durch das Auswärtige Amt einen sofortigen bundesweiten Abschiebestopp nach Afghanistan beschließen. Das fordern der Initiativausschusses für Migrationspolitik und die Arbeitsgemeinschaft der Diakonie in Rheinland-Pfalz.
Seitdem der Abzug der internationalen Streitkräfte aus Afghanistan begonnen hat, weiten die Taliban ihre Machtbereiche in dem Land Schritt für Schritt aus und nimmt die Zahl ziviler Opfer des Konflikts dramatisch zu. Die dritte Corona-Welle übersteigt in Afghanistan zudem alle bisherigen, dem Land fehlt der Zugang zu Impfstoffen und das Gesundheitssystem ist mit den auftretenden Fällen komplett überfordert.
„Derzeit nach Afghanistan abzuschieben bedeutet, Menschen sehenden Auges in konkrete Lebensgefahr zu bringen. Das wissen die Innenminister des Bundes und der Länder spätestens seit einer Studie, die Anfang Juni veröffentlicht wurde und die Schicksale von 113 aus Deutschland abgeschobenen afghanischen Staatsangehörigen nachzeichnet“, erklärt Torsten Jäger, der Geschäftsführer des Initiativausschusses für Migrationspolitik in RLP.
Demnach wird ihnen von den Taliban Verrat, Verwestlichung, unmoralisches Verhalten oder die Abkehr vom Islam unterstellt. Weil auch ihre Familien bedroht werden, fehlt den Abgeschobenen vor Ort vielfach das überlebenswichtige familiäre Netz und droht ihnen zusätzlich zu Verfolgung und konkreter Lebensgefahr auch die soziale Verelendung. Das Ergebnis: Von 113 im Rahmen der Studie untersuchten Personen haben zwei Suizid begangen, mussten 70 erneut aus Afghanistan fliehen und planen 32 derzeit ihre erneute Flucht.
Initiativausschuss und Diakonie in Rheinland-Pfalz weisen darauf hin, dass die rigide Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge dafür verantwortlich ist, dass fast 30.000 Afghan*innen in Deutschland (davon ca. 2.800 in Rheinland-Pfalz) ausreisepflichtig sind und lediglich geduldet werden. Zwar korrigieren die Verwaltungsgerichte fast regelmäßig ablehnende Entscheidungen des BAMF, vielen der Betroffenen fehlt aber es an der notwendigen Beratung und Unterstützung, um den Klageweg rechtzeitig zu beschreiten.
„Dieser Wahnsinn muss aufhören! Abschiebungen nach Afghanistan bringen die Betroffenen in Lebensgefahr und verunsichern die gesamte afghanische Gemeinschaft in Deutschland, die sich trotz ihres prekären Duldungsstatus intensiv um Integration bemüht“, sagt Pfarrer Albrecht Bähr, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Diakonie in RLP.
Es ist deshalb notwendig,
- das Auswärtige Amt mit einer zeitnahen Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan zu beauftragen,
- bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Neubewertung einen bundesweiten Abschiebestopp nach Afghanistan zu erlassen und
- mit einer Bleiberechtsregelung Aufenthaltssicherheit für diejenigen Afghan*innen zu schaffen, die langjährig geduldet sind und auf absehbare Zeit wegen der Lage vor Ort nicht nach Afghanistan zurückkehren können.
Jäger und Bähr fordern Landesinnenminister Roger Lewentz dazu auf, sich bei der heute beginnenden Innenministerkonferenz hierfür ohne Wenn und Aber einzusetzen: „Das Eintreten für ein Recht afghanischer Flüchtlinge auf Leben in Sicherheit und Würde ist - wenn die Landesregierung ihre Selbstverpflichtung auf eine ‚humanitär ausgerichtete Flüchtlingspolitik‘ ernst nimmt, im wahrsten Sinne des Wortes alternativlos.“
Falls die Innenministerkonferenz, die ihre Beschlüsse einstimmig fassen muss, sich einer humanitären Lösung verweigert, muss die Landesregierung wenigstens sofort und in eigener Verantwortung gemäß § 60a, Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes einen dreimonatigen Abschiebestopp nach Afghanistan erlassen.