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"Verschuldung ist immer auch eine menschliche Katastrophe"

Aktionswoche Schuldnerberatung wirft Schlaglicht auf die Situation verschuldeter Menschen.

Speyer (dwp). „Der Mensch hinter den Schulden“ heißt der Titel der 22. bundesweiten Aktionswoche Schuldnerberatung, die in diesem Jahr vom heutigen Montag  bis zum 11. Juni stattfindet. Die Schuldnerberatung muss bedarfsgerecht ausgebaut werden, um der seit Beginn der Corona-Pandemie zunehmenden Anzahl verschuldeter Menschen besser helfen zu können. Das fordert der pfälzische Landesdiakoniepfarrer Albrecht Bähr anlässlich der Aktionswoche Schuldnerberatung 2021. Bähr ist zugleich Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Diakonie in Rheinland-Pfalz und einer der beiden Sprecher der Landesarmutskonferenz Rheinland-Pfalz.

In allen sozialen Schichten nimmt die Verschuldung zu. „Soziale Schuldnerberatung, die unsere Beratungsstelle anbietet, hat den gesamten Menschen in seinem sozialen Umfeld im Blick. Das macht auch den Erfolg dieses Ansatzes aus, den zahlreiche Studien belegen“, sagt Tanja Gambino, Referentin für Offene Sozialarbeit beim Diakonischen Werk Pfalz. Verschuldung schränke die Lebensgrundlage vieler Menschen ein. Das sei nicht nur ein finanzielles Problem. „Uns geht es um die Menschen hinter den Schulden, so wie es auch das Motto der Aktionswoche Schuldnerberatung ,Der Mensch hinter den Schulden‘ der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung der Verbände ausdrückt. Verschuldung ist immer auch eine menschliche Katastrophe“, so Bähr und Gambino weiter.

Nach Schätzungen sind bundesweit – auch in Folge der Corona-Pandemie – zwei Millionen Soloselbstständige und Freiberufler von Überschuldung bedroht. „Viele Existenzen sind finanziell prekär aufgestellt. Wir sprechen da mittlerweile nicht mehr nur über Empfänger von Grundsicherung und im Niedriglohnsektor Beschäftigte. Jetzt drohen auch Menschen in Verschuldung zu geraten, die es vorher niemals für möglich gehalten hätten“, sagt Tanja Gambino.. Das zeige, dass zusätzliche gemeinnützige Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen nötig seien, vor allem im ländlichen Raum. Zudem müsse die Finanzierung von vorhandenen Stellen deutlich besser aufgestellt werden.

Menschen, die in finanzielle Not geraten seien, benötigten unabhängig von ihrer Einkommenssituation kompetente Unterstützung. Daher müsse endlich ein Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung für alle ins Gesetz geschrieben werden. Bähr begrüßt deshalb ausdrücklich die jüngste Reform des Insolvenzrechtes, nach der es möglich ist, nach drei Jahren eine Schuldenbefreiung zu erhalten. Doch nun seien weitere Reformen notwendig: „Die Speicherfristen von Schuldendaten bei Auskunfteien müssen deutlich kürzer werden. Dass bei der Schufa Schuldendaten weitere drei Jahre nach Ende des dreijährigen Insolvenzverfahrens gespeichert bleiben, erschwert ehemals Verschuldeten den Neustart. Für sie ist es zum Beispiel schwer bis unmöglich, unter diesen Bedingungen eine neue Wohnung zu finden. Wohnen aber ist ein Menschenrecht, das Überschuldeten oder von Armut Bedrohten nicht vorenthalten werden darf. Daher fordern wir eine Speicherfrist bei der Schufa von höchstens einem, besser einem halben Jahr“, verdeutlicht Gambino mit Blick auf viele Beispiele aus der Beratungspraxis.

Hintergrund: Schuldner- und Insolvenzberatung beim Diakonischen Werk Pfalz

In Trägerschaft des Diakonischen Werks Pfalz befinden sich fünf anerkannte Schuldnerberatungsstellen. Im „Corona-Jahr“ 2020 stieg die Anzahl der Klient*innen um 250 auf 1900. Trotz Lockdown und der Corona-Einschränkungen wurde das Beratungsangebot durch den verstärkten Einsatz von Telefon- und Videoberatung aufrechterhalten. Zu den neuen Klient*innengruppen, die vorher in der Beratungspraxis keine so große Rolle gespielt haben, zählen seit 2020 zunehmend Klein- und Soloselbstständige. Großen Beratungsbedarf haben auch Menschen, die ihr Nebeneinkommen (Minijob) verloren haben, arbeitslos geworden oder in Kurzarbeit sind.

Die Aktionswoche Schuldnerberatung wird veranstaltet von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV). In ihr haben sich Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege auf Bundesebene, der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung zusammengeschlossen.