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Pfingst-Kollekte "Hoffnung für Osteuropa" - Nachbarländer im Blick behalten

Zu Pfingsten wirbt die Diakonie Pfalz für die Aktion „Hoffnung für Osteuropa“. Die Pfingstkollekte, die auch digital möglich ist, fließt an diakonische Einrichtungen und Kirchengemeinden in Polen.

Speyer (lk/dwp). Die Diakonie Pfalz bittet Gläubige in der Pfalz und Saarpfalz um Unterstützung für die Menschen in unseren östlichen Nachbarländern. Corinna Weißmann, Referentin für Ökumenische Dienste bei der Diakonie Pfalz: „Bei all unseren Sorgen hier ist es wichtig, nicht die Menschen in der Welt und in unseren Nachbarländern aus dem Blick zu verlieren“. Die Spenden fließen an diakonische Einrichtungen in Polen, zum Beispiel an Alten- und Pflegeinrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Kindererholungen oder zur Förderung von Mädchenarbeit. Weiterhin werden besondere Projekte unterstützt, wie ein Buchprojekt, das das Massaker des Zweiten Weltkrieges aufarbeitet. Weitere Informationen zur diesjährigen Aktion finden Sie hier.

Im  Jahr 2020 hat die Aktion „Hoffnung für Osteuropa“ 25.500 Euro an zehn Projekte verteilt, im Jahr 2019 waren es acht, die insgesamt 29.000 Euro erhalten haben. Das diesjährige Schwerpunktland ist Polen, speziell Ostpolen - eine dünn besiedelte und arme Region. Im ostpolnischen Hajnowka und Nowa Wola werden Werkstätten für Menschen mit Behinderungen unterstützt. Außerdem gibt es immer wieder einzelne Projekte. So berichtet Pfarrerin Barbara Phieler im Interview von einem ganz besonderen Buchprojekt. Auf ihre Initiative geht ein Buch über vergessene Massaker an der dörflichen Zivilbevölkerung während der deutschen Besatzungszeit in Polen im ehemaligen „Bezirk“ Bialystok zurück. Das Buch trägt den polnischen Titel: „zamordowane wsie“ - wörtlich: „Gemordete Dörfer“ und ist jüngst erschienen. Eigentlich sollte das Diakonische Werk Pfalz im Mai für seine Unterstützung des Buchprojektes von der Stiftung „Fürst Konstanty (Wasyl) Ostrogski“ (1526 – 1608) ausgezeichnet werden. Die Preisverleihung sollte am 11. Mai in Hajnowka während der Eröffnung des Internationalen Festivals für orthodoxe Kirchenmusik stattfinden. Coronabedingt wurden das Festival und die Preisverleihung abgesagt. Der Preis wird bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit überreicht werden.

Ihre Spende zählt

Die Pfingstkollekte wird traditionell für „Hoffnung für Osteuropa“ verwendet. Die Spenden können Gottesdienstbesucher in den protestantischen Kirchengemeinden in der Pfalz und Saarpfalz abgeben.

Zudem sind Einzelspenden digital möglich unter dem Spendenportal der Landeskirche bei der KD Bank.

Ganzjährig sind Spenden möglich auf das Soendenkonto der Aktion:

Hoffnung für Osteuropa
Evangelische Bank eG
IBAN: DE50 5206 0410 0000 0025 00
BIC: GENODEF1EK1

Jetzt online für "Hoffnung für Osteuropa" spenden

Hintergrund

Die Initiative „Hoffnung für Osteuropa“ ist die Antwort der Evangelischen Kirchen in Deutschland auf den Wandel in Mittel- und Osteuropa. Gegründet 1994, soll die Aktion soziale Strukturen, diakonische Dienste und den zivil-gesellschaftlichen Aufbau fördern. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs Ende der achtziger Jahre hat in Europa ein radikaler Umbruch begonnen, der das Leben der Menschen in den ehemaligen Ostblockstaaten tiefgreifend veränderte. Mit dem Kollaps der politischen Strukturen brachen meist auch wirtschaftliche Systeme und soziale Sicherungen zusammen. Millionen Menschen wurde buchstäblich die Existenzgrundlage entzogen. Viele können bis heute nicht an dem Wirtschaftsaufschwung teilhaben, der in Europa einsetzte.

„Hoffnung für Osteuropa" will durch Erfahrungsaustausch und Kooperation mit einheimischen kirchlichen oder zivilgesellschaftlichen Partnern Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Vorbildhafte Sozialprojekte sollen als Symbole der Hoffnung wahrgenommen werden und zur Nachahmung motivieren. Die Aktion will zudem in Ost und West Verständnis für die verschiedenartigen Lebenssituationen und Traditionen wecken. Internationale Begegnungen und Partnerschaften zwischen den Kirchen sollen zur Völkerverständigung beitragen und die Ökumene stärken.

Unterstützt werden mehr als sieben Projektpartner in sechs Ländern. Im diesjährigen Partnerland der Aktion "Hoffnung für Osteuropa", Polen, werden ein Altenwohnheim und eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Hajnowka, eine Werkstatt in Nowa Wola, ein Altenheim in Stanislalowo und ein ambulantes Hospiz in Michalowo unterstützt, außerdem die Evangelisch-Augsburgische Kirchengemeinde in Bialystok. Projektpartner ist das Dekanat Hajnowka in der orthodoxen Diözese Warszawa-Bielsk.

In der Ukraine organisiert der landeskirchliche Arbeitskreis Ukraine-Pfalz humanitäre Hilfen für ein Ambulatorium, Krankenhäuser, Hospitationen für Ärzte und Krankenpflege im Gebiet Transkarpatien und die Förderung von Studierenden der Germanistik. Er gibt Zuschüsse für ehemalige Zwangsarbeiter und ermöglicht Begegnungen von Jugendlichen sowie Familien.

Interview mit Pfarrerin Barbara Phieler

Die Aktion Hoffnung für Osteuropa unterstützte das von Pfarrerin Barbara Phieler initiierte Buchprojekt über vergessene Massaker an der dörflichen Zivilbevölkerung während der deutschen Besatzungszeit in Polen im ehemaligen „Bezirk“ Bialystok.  Das Buch trägt den polnischen Titel: „zamordowane wsie“ - wörtlich: „Gemordete Dörfer“ und ist jüngst erschienen.

Das Diakonische Werk Pfalz wird für seine Unterstützung des Buchprojektes von der Stiftung „Fürst Konstanty (Wasyl) Ostrogski“ (1526 – 1608) ausgezeichnet werden. Die Preisverleihung sollte am 11. Mai in Hajnowka während der Eröffnung des Internationalen Festivals für orthodoxe Kirchenmusik stattfinden. Coronabedingt wurden das Festival und die Preisverleihung abgesagt. Der Preis wird nun bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit überreicht werden.

In der Begründung des Preiskomitees heißt es: „Ein Beispiel für die Bemühungen des Diakonischen Werks um Versöhnung ist die Initiative von B. P. ein Buch herauszugeben (das in diesem Jahr im Verlag der Stiftung „Fürst Konstanty (Wasyl) Ostrogski“ erscheint) mit dem Titel „zamordowane wsie“ wörtlich: „Gemordete Dörfer“. Es geht darin um ´Pazifizierungen´ während der deutschen Besatzungszeit im ehemaligen ´Bezirk´ Bialystok. Es ist eine große und mutige Geste, über die Verbrechen des eigenes Volkes zu sprechen. Das Buch, das an die Opfer des deutschen Faschismus erinnert, ist ein Verweis darauf, dass wirkliche Versöhnung möglich ist auf der Grundlage von Wahrheit und gegenseitiger Vergebung.“

 

Wir haben mit Pfarrerin Barbara Phieler über das Buchprojekt gesprochen.

Wie kamen Sie zu dem Thema und welche Verbindung haben Sie zu Polen?

1974 war ich zum ersten Mal in Polen, natürlich auch in Auschwitz, aber nicht nur. Das Land hat mich interessiert, nicht mehr losgelassen. Ich habe angefangen, Polnisch zu lernen. Zahlreiche persönliche Kontakte sind entstanden. In den 80-er und 90-er Jahren wurden dank dieser Kontakte über das Landesjugendpfarramt der Pfalz (Ev. Schülerarbeit) Internationale Ökumenische Begegnungen mit Arbeitseinsatz in Supraśl angeboten. Dort haben Pfälzer Jugendliche zusammen mit Polen beim Wiederaufbau einer von Deutschen zerstörten Wehrkirche aus dem 16. Jahrhundert mitgeholfen. Auf das Thema der - sowohl in der Geschichtsschreibung wie in der Erinnerungskultur vernachlässigten Opfergruppen bin ich erst später gestoßen: 2011 habe ich einzelne Stationen einer Besuchsreise nach Polen mit Kirchenpräsident Schad vorbereitet. Wir haben dabei auch eines jener zahlreichen Dörfer besucht, das – ähnlich wie Lidice oder Oradourvon der deutschen Besatzungsmacht vernichtet worden ist. Das war der Anfang. Seitdem nehme ich fast jedes Jahr auf Einladung der Dorfgemeinschaft an den jährlichen Gedenkfeiern teil und werde auch gebeten, dabei eine kurze Rede zu halten.

Haben Sie bei Ihrem Vorhaben Unterstützung erfahren?

Nachdem ich mich informiert hatte über das Ausmaß der dörflichen Massaker im besetzten Polen, kam mir die Idee, dass zu diesem Thema ein Buch entstehen sollte, in dem wenigstens die Massaker im ehemaligen „Bezirk“ Bialystok aufgelistet und teilweise beschrieben werden sollten. Ich habe für dieses Buch nicht selbst recherchiert. Das haben Journalisten aus Ostpolen übernommen, die die regionalen Mischdialekte sprechen und die als Landsleute spontan Zugang zu den letzten Zeitzeugen dort finden konnten. Der Bezirk war groß und reichte weit in das heutige Weißrussland hinein. Von daher war die Recherche nicht einfach. Das Vorhaben wurde finanziell vom Diakonischen Werk Pfalz über „Hoffnung für Osteuropa“ unterstützt. Wohlwollend aufgenommen hat diese Idee der inzwischen verstorbene orthodoxe Erzbischof von Wroclaw (Breslau), Jeremiasz, dessen zusammenfassende theologische Reflexion den Abschluss des Buches bilden sollte. Telefonisch ermutigt, diese Dörfer zu besuchen, wurde ich von Konrad Schuller (FAZ), der schon 2009 das Buch über die „Pazifizierung“ des Dorfes Borów, "Der letzte Tag von Borów, Polnische Bauern, deutsche Soldaten und ein unvergangener Krieg", geschrieben hat.

Wie waren die Reaktionen in Polen (vor Ort) und in Deutschland?

Bei meinen Besuchen im Dorf Rajsk wurde ich im Laufe der Jahre – wie es mir scheint - nicht mehr nur als Angehörige des deutschen Volkes wahrgenommen. Wir essen und trinken zusammen, unterhalten uns über Alltagsthemen, ich darf im Kirchenchor mitsingen, eine Frau, deren Eltern von den Deutschen ermordet wurden, als sie 3 Jahre alt war, und die sich noch genau an jedes Detail erinnert, strickt mir gerade ein Paar Socken.

Ich bin auf große Offenheit und Herzlichkeit gestoßen, auch auf Zurückhaltung und Erstaunen, aber nie auf Ablehnung oder Feindseligkeit.

Inwieweit ist Erinnern wichtig für die Versöhnungsarbeit? Welchen Beitrag leistet das Buch in diesem Zusammenhang?

Persönlich nehme ich die Worte „Versöhnung“ oder „Vergebung“ in Gesprächen mit Menschen, die direkt oder indirekt von den Gräueltaten der deutschen Besatzung in Polen betroffen sind, nicht in den Mund. Um Vergebung kann man nicht bitten – wie ich meine. Man kann sie nicht erwarten oder gar fordern. Gemeinsames Gedenken ist schon sehr viel wert. Versöhnung geschieht dann, wenn die Zeit reif ist. Am Ende des Buches werden Worte des orthodoxen Erzbischofs Gregorz zitiert, die er 2017 bei der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der „Pazifizierung“ in Rajsk (sinngemäß) gesprochen hat:

„Jemand hat mal gesagt, dass wir Christen in solchen Momenten doch immer vergeben. Wozu soll man denn die Wunden immer wieder aufreißen, wozu immer diese Gedenkfeiern? Wir gedenken, damit diese Wunden nicht bösartig vernarben.“

Das entstehende Buch soll in den Dörfern präsentiert und auf Wunsch kostenlos verteilt werden. Es soll den Menschen nahebringen, dass ihr Erleben und das ihrer Familienangehörigen sehr ernst genommen wird, dass ihre Erinnerungen aufgehoben sind. Im Vorwort wird dem Diakonischen Werk der Pfalz für die Unterstützung gedankt. Das Interesse an der Entstehung dieses Buches, daran, dass die Schuld des eigenen Volkes zur Sprache gebracht und nicht verschwiegen wird, hat zur geplanten Verleihung des Preises geführt.