Neues aus der DiakonieBleiben Sie auf dem Laufenden

Pressemeldungen

Diakonisches Werk Pfalz verabschiedet Brigitte Thalmann in den Ruhestand

Nach fast 35 Jahren im Dienst der Diakonie wurde Brigitte Thalmann, Abteilungsleiterin Soziales und Freiwilligendienste, Mitglied der Geschäftsführung und Stellvertreterin des Landespfarrers, am Dienstag in der Speyerer Gedächtniskirche in den Ruhestand verabschiedet.

Speyer (dwp). Als „diakonisches Urgestein des Diakonischen Werkes Pfalz“; als „Diakonikerin von der Pike auf“ und „diakonisches Gewissen dieses Werkes“ würdigte Oberkirchenrat Manfred Sutter Brigitte Thalmann, die 1985 ihren Dienst bei der pfälzischen Diakonie antrat. Die gelernte Krankenschwester und studierte Sozialarbeiterin arbeitete zunächst in der „Arche“, der Suizidberatung der Lebensberatungsstelle beim Evangelischen Gemeindedienst Ludwigshafen im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche der Pfalz. Seit Ende 1994 war sie als Referentin für Offene Soziarbeit für die pfalzweit 30 Sozial- und Lebensberatungsstellen, Schwangerschaftsberatungsstellen und Schuldnerberatungsstellen verantwortlich. Seit 1996 bereits stellvertretend, übernahm sie 2003 die Leitung der Abteilung Integration und gemeindenahe Dienste. 2007 wurde sie vom Hauptausschuss zur Stellvertreterin des Landespfarrers für Diakonie gewählt. Zweimal lag die Leitung des Diakonischen Werkes seither in ihren Händen. Der Oberkirchenrat dankte Brigitte Thalmann für das vertrauensvolle Miteinander, die Offenheit und Verlässlichkeit sowie die „unverbrüchliche Loyalität“.

„Brigitte Thalmann hat sich dabei nie verbogen oder verbiegen lassen. Sie ist sich selbst, ihren Überzeugungen und ihrem diakonischen Ethos treu geblieben. Und sie war kämpferisch, wenn es um die ihr in der diakonischen Arbeit anvertrauten Menschen oder um Mitarbeitende des Werkes ging“, sagte Sutter in seiner Laudatio.

Landespfarrer Albrecht Bähr erinnerte in seiner Predigt daran, dass Brigitte Thalmann eine der Architektinnen der Häuser der Diakonie gewesen sei und diese Idee und deren Umsetzung auch gegen manche Widerstände durchgesetzt habe. „Die Gehstruktur; dort präsent zu sein, wo die Menschen uns brauchen, das ist ein Grundsatz unseres diakonischen Handelns“ verdeutlichte Bähr.

Ihren Dank und Grüße überbrachten im Anschluss die Oberbürgermeisterin von Speyer, Stefanie Seiler, Barbara Aßmann vom Caritasverband Speyer, Karl Fischer, Vorsitzender des Landesverbandes Pfalz des Blauen Kreuzes sowie Michael Kromberg von der Mitarbeitendenvertretung (MAV) des Diakonischen Werkes Pfalz.

Das Diakonische Werk startet mit einer neuen Organisationsstruktur in das kommende Jahr. Die von Brigitte Thalmann geleitete Abteilung Soziales und Freiwilligendienste geht im Vorstandsbereich Soziales, KiTa und Freiwilligendienste auf, der von Pfarrerin Sabine Jung geleitet wird. Gregor Höpfner verantwortet den Vorstandsbereich Finanzen, Personal und Organisation. Vorstandsvorsitzender ist Landespfarrer Albrecht Bähr.

Brigitte Thalmann im Interview: "Die Gründerjahre der Diakonie sind vorbei"

1985 fing sie im Diakonischen Werk der Pfalz an - erst als Sozialarbeiterin bei der Arche Ludwigshafen, dann als Referentin für Offene Soziale Arbeit, später als Abteilungsleiterin für Soziales und Freiwilligendienste und als Stellvertretung des Landespfarrers. Brigitte Thalmann hat in den fast 35 Jahren ihrer Dienstzeit so viele Funktionen ausgefüllt, dass sie sich an die eine oder andere schon gar nicht mehr erinnert. Nun, mit 61 Jahren, scheidet die gebürtige Saarländerin aus dem aktiven Dienst beim Diakonischen Werk aus. Zeit für einen Rück- und Ausblick.

Frau Thalmann, Sie sind in den letzten Jahren selten nach einem 8-Stunden Tag nach Hause gegangen, waren viel unterwegs und haben viel gearbeitet. Was werden Sie mit all der freien Zeit anstellen?

Ich habe ein Pferd und bin der Natur sehr verbunden. Ich werde also sicher wieder mehr mit Pferden machen und häufiger wieder im Wald spazieren gehen. Außerdem ist mein Mann in Rente und ich werde mehr Zeit mit ihm, der Familie und netten Freunden verbringen.

Also keine Wehmut zu gehen?

Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich sehr über die Zeit, die ich dann haben werde. Ich habe keinen konkreten Plan, aber ich bin sicher, dass mir etwas einfallen wird.

Wie würden Sie sich in drei Worten beschreiben?

Das ist gar nicht so einfach. Geradlinig, warmherzig und fröhlich. Ich lache gern und habe mich immer dafür eingesetzt, sehr klar und transparent zu sein.

Und was würden Kollegen und Mitarbeiter über Sie sagen?

Von anderen kam die Rückmeldung, dass ich manchmal zu ungeduldig bin. Da ist was Wahres dran. Ich finde, manchmal muss man auch Druck ausüben, damit sich etwas verändert und bewegt.

Gehen wir zu den Anfängen zurück. Wie kamen Sie zur sozialen Arbeit?

Ich war als Jugendliche in einem selbstverwalteten Jugendzentrum aktiv, das waren damals viele junge Menschen. Da gab es einen Sozialarbeiter, und ich fand es gut, was der gemacht hat. Das war der erste Impuls. Aber natürlich war das eine etwas naive Vorstellung von dem Berufsbild.

Dennoch stand der Berufswunsch dann fest?

Ja. Aber ich habe noch einen Umweg gemacht. Nach dem Abitur in St.Ingbert habe ich zunächst keinen Studienplatz bekommen. Gleichzeitig wusste ich, dass ich eng mit Menschen zusammenarbeiten und helfen wollte. So habe ich erst eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht und danach mein Studium an der Fachhochschule für Sozialwesen absolviert.

Was hat Sie in den letzten Jahren bei all Ihren beruflichen Stationen motiviert?

Ich mag Menschen gerne. Ich finde es interessant, mit Menschen zu arbeiten, mit ihnen in Kontakt zu sein und zu erleben, wie unterschiedlich Menschen so sind. Das hat sich durch all meine Stationen gezogen. Man erlebt so vieles, was einen bewegt und persönlich voranbringt. Das ist etwas sehr Schönes.

Sie waren in vielen unterschiedlichen Positionen beim Diakonischen Werk tätig. Gab es eine Station, die Ihnen besonders gut gefallen hat?

Das kann man so nicht sagen, dazu waren die Aufgaben zu verschieden. In der Beratung ist man sehr nah an den Klienten. Ich finde Menschen einfach unheimlich spannend - zu sehen, wie unterschiedlich sie sind, was sie bewegt, wie sie denken und handeln. Als Führungskraft ändert sich das natürlich, da arbeitet man vor allem mit den Mitarbeitern. Aber auch da fand ich es motivierend, wenn Mitarbeiter mir vertraut und sich mir gegenüber ehrlich und offen über persönliche Schicksale geäußert haben.

Hat Sie Ihre Karriere von den Menschen also entfernt?

Das hat sie, das muss man so sagen. Es gibt ein Sprichwort: “An der Spitze ist man einsam.” Da ist etwas Wahres dran. Ich habe mich nie einsam gefühlt. Aber als Führungskraft muss man immer professionell agieren und wird anders wahrgenommen.

Sie haben die Prozesse und Strukturen des Diakonischen Werks viele Jahre lang mitgestaltet und nachhaltig geprägt. Wenn Sie zurückblicken, worauf sind Sie besonders stolz?

Die Häuser der Diakonie zu schaffen war eine Herkulesaufgabe. Wir waren früher in Städten wie Bad Dürkheim mit mehreren Stellen vertreten. Wir haben diese Teams in einem Haus zusammengeführt und ein multiprofessionelles Team geschaffen. Das hat den Austausch befördert und sich fachlich sehr bewährt.

Gab es Widerstände?

Ja, die gab es. Es gab viele Ängste und Bedenken - vor etwa 15 Jahren begonnen. Es gab auch die Überlegung, mit anderen Trägern eine Beratungsstelle zu einem bestimmten Thema zu gründen, also etwa die Schuldnerberatung der AWO und der Caritas und des Diakonischen Werks unter einem Dach anzubieten. Auch das hat diverse Vorteile. Wir haben uns vor 15 Jahren dafür entschieden, mehrere Fachbereiche unter dem gemeinsamen Dach des diakonischen Werks zusammenführen. Das war inhaltlich und fachlich eine gute Idee.

Woran haben Sie zuletzt gearbeitet?

Die letzten Jahre waren stark davon geprägt, die Strukturen zu verändern und die Organisation interkulturell zu öffnen. Wir wollen näher am Puls der Zeit sein. Daher wird die Leitungsebene stärker dezentralisiert und mehr in die Region gehen - mit mehr Entscheidungskompetenzen vor Ort. Das wird eine spannende Entwicklung.

In den Medien liest und hört man regelmäßig, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht. Gleichzeitig gibt es Versuche, gerade Bildungsangebote durchlässiger zu machen und Barrieren für Menschen mit körperlicher oder geistiger Einschränkung oder soziokulturelle und religiöse Barrieren abzubauen. Wie bewerten Sie das?

Ich würde beide Entwicklungen bestätigen. Es ist gut, dass die Gesellschaft und die Politik aktiv entgegensteuert. Doch gleichzeitig gibt mehr Extreme; die Gesellschaft wird immer heterogener und dadurch geht auch die Schere weiter auseinander. Man muss mehr dazu tun, dass sich die Lager nicht verhärten und dass die Menschen am Rande der Gesellschaft in die Mitte zurückkommen und nicht in Vergessenheit geraten. Die Themen bleiben erhalten; soziale Arbeit hört nicht auf. Das wird eine große Herausforderung für die gesamte Gesellschaft.

Worin sehen Sie die größte Herausforderung für Ihren Nachfolger?

Die Finanzierung stabil zu halten. Früher war es sehr viel einfacher, ausreichend Fördermittel zu erhalten. Da kam etwa die AIDS-Thematik auf und viele Träger haben schnell Beratungsstellen geschaffen. Heute haben die Kommunen weniger Geld; die Kirchensteuermittel gehen zurück. Das ist unser Hauptproblem, dass wir im Grunde nur den Erhalt erstreiten, aber wenig Neues machen können. Das geht allen freien Verbänden so. Wir können nicht mehr schnell genug reagieren auf die Notlagen der Gesellschaft. Die Gründerjahre sind vorbei.

Sie haben gesagt, die Finanzierung zu sichern ist in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. Wen sehen Sie hier in der Pflicht?

Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, dieses Problem zu lösen. Wir sind in ständigem Austausch mit der Politik, die das Problem natürlich sieht. Doch auch den Amtsträgern dort sind oft die Hände gebunden. Wir versuchen natürlich, EU-Mittel und andere Gelder zu beantragen oder Spenden einzuwerben. Doch die Mittel im Sozialen sind begrenzt. Das ist schade und auf Dauer falsch, denn das wird nicht lange gut gehen. Insofern geht der Appell an alle, denn eine Lösung ist nicht in Sicht.

Gab es denn auch positive Entwicklungen?

Es gibt eine größere Öffnung für die Lebensschicksale eines Menschen. Man darf sich mehr öffnen. Das Thema Schwangerschaftskonfliktberatung war früher ein ganz heißes Eisen. Das hat sich geändert. Auch die interkulturelle Öffnung ist viel geworden. Es gibt immer noch spezielle Beratungsstellen für Geflüchtete oder Migranten, das ist auch wichtig. Aber der Anspruch muss sein, dass auch Menschen mit geringen Deutschkenntnissen oder aus einer anderen Kultur den gleichen Zugang zur Regelberatung haben wie Menschen, die schon lange hier leben. Die Wege sollen offen sein, und wir sind auf einem guten Weg. Zwar sind wir noch nicht am Ende, aber es ist schon viel besser.

Gibt es eine Botschaft, die Ihnen zum Abschluss am Herzen liegt?

Ja, das gibt es. Viele Angebote des Diakonischen Werks richten sich an Erwachsene; wir haben aber auch viele Angebote, die sich an kleine Menschen richten. Zum Beispiel eine Kinderferienerholung, bei der Kinder aus der ganzen Pfalz über uns drei Wochen in Kur fahren können. Oder die Beratung von Kindertagesstätten. Das finde ich sehr wichtig, denn da wird der Grundstein für die persönliche individuelle Entwicklung gelegt. Da können wir viel mitgeben - aber natürlich auch viel vermasseln. Insofern wäre meine Botschaft: Wir dürfen die Großen nicht vergessen, aber fast noch wichtiger ist es, für die kleinen Menschen gut zu sorgen.

Das Gespräch führte Lydia Prexl für die Diakonie Pfalz.